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Textland Festival 2022: Die Macht der Literatur

 

Das fünfte Textland Literaturfestival bildet in diesem Jahr den literarischen Schwerpunkt des Festivals „Politik im Freien Theater“. Im TITANIA Theater Frankfurt versammelt Textland die Avantgarde einer neuen, polyphonen deutschsprachigen Literaturszene, die das Thema MACHT literarisch und performativ ergründet. Im Mittelpunkt steht hierbei die Frage: Welche Potenziale kann die Literatur in all ihren Formen aktivieren, um sich gegen eine korrumpierende Wirkung der Macht zu wehren und die positiven Aspekte von Macht fruchtbar zu machen?

Alle Veranstaltungen werden parallel im Live-Stream übertragen.

TERMINE
Freitag, 30. September 2022, 19:30 – 22:00 Uhr
Samstag, 1. Oktober 2022, 11:00 – 21:00 Uhr

ORT
TITANIA Theater, Basaltstraße 23, 60487 Frankfurt am Main

EINTRITT
Freitag, 30.9.: 10 €, erm. 8 €
Samstag, 1.10.: 12 €, erm. 8 €
Dauerkarte: 20 €, erm. 15 €
Livestream: 8 € je Tag

Die Anmeldung erfolgt über die theaterperipherie im TITANIA Theater online oder vor Ort.

TICKETS auch über AD-Ticket:

https://www.adticket.de/Textland-Literaturfestival.html

 

Ablauf des Abends

Freitag, 30. September 2022, 19:30-22:00 Uhr

 

DIE MACHT DER LITERATUR

Zum Auftakt liest Lena Gorelik einen noch unveröffentlichen Text aus ihrem entstehenden Roman. Im Anschluss trifft sie im Gespräch auf Hadija Haruna-Oelker und Ozan Zakariya Keskinkılıç, die ebenfalls aus ihren aktuellen Büchern lesen werden. Moderiert von Leon Joskowitz und Miryam Schellbach, sprechen die Autor:innen über die Macht der Literatur und die Potenziale, die dem Erzählen, dem Schreiben und dem Lesen innewohnen. Welche gesellschaftliche Funktion kommt Schriftsteller:innen heute (noch) zu? Berechtigt die Arbeit am Text die Autor:innen dazu, sich zu gesellschaftlichen und moralischen Fragen zu äußern? Sind sie in Zeiten des gesellschaftlichen Wandels und der Gefahr vielleicht sogar verpflichtet, sich offensiv am Diskurs zu beteiligen? Welche Mittel der Selbstvergewisserung und der Emanzipation kennt die Literatur? Wie unterscheiden sich erzählende Prosa, Sachbuch und Lyrik? Weiterhin werden die Fragen verhandelt: Ist der Begriff der Bildung zu Unrecht desavouiert? Was kann Literatur zur Renaissance der Bildung beitragen? Und schließlich: Welche Rolle und Verantwortung kommt dem Publikum zu?


19:30 Uhr

Begrüßung Leon Joskowitz (Textland), Ute Bansemir (TITANIA/theaterperipherie)

19:45 Uhr

Lesung: Lena Gorelik

Die Autorin liest einen noch unveröffentlichen Text aus ihrem entstehenden Roman, der 2023 erscheinen wird.

20:15 Uhr

Kurzlesungen: Hadija Haruna-Oelker und Ozan Zakariya Keskinkılıç

In ihrem Buch „Die Schönheit der Differenz – Miteinander anders denken" verknüpft Hadija Haruna-Oelker ihre persönliche Geschichte mit den aktuellen gesellschaftspolitischen Prozessen. Sie erzählt von der Wahrnehmung von Differenzen, vom Verbündetsein, von Perspektivwechseln, Empowerment und von der Schönheit, die in unseren Unterschieden liegt. In der ZEIT hebt Rezensentin Judith Luig als die stärksten Momente jene hervor, in denen die Autorin von Schmerz, Glück und der Fragilität von Identität erzählt.

Im 2021 erschienenen Sachbuch „Muslimaniac“ geht Ozan Zakariya Keskinkılıç dem antimuslimischen Rassismus auf den Grund und klärt, was wir, jenseits gängiger Klischees, wirklich über Muslime wissen. Neben wissenschaftlichen Texten schreibt Keskinkılıç Essays, Prosa und Lyrik. Im Herbst 2022 erscheint sein Lyrikdebüt „prinzenbad“ im Elif Verlag.

Im Anschluss ein Gespräch über die Macht der Literatur mit

Hadija Haruna-Oelker

Ozan Zakariya Keskinkılıç

Lena Gorelik

In der Diskussion geht es unter anderem um Macht und Potenziale der Literatur, die gesellschaftliche Funktion von Schriftsteller:innen in der Gegenwart, den Beitrag der Literatur zur Renaissance der Bildung und die Rolle und Verantwortung des Publikums.

Moderation des Abends: Leon Joskowitz und Miryam Schellbach

 

Ende gegen 22:00 Uhr

Ablauf des Tages

Samstag, 1. Oktober 2022, 11:00 – 20:30 Uhr

11:00 Uhr

Begrüßung: Leon Joskowitz (Textland), Julia Cloot {Kulturfonds RheinMain), Milena Mushak (Bundeszentrale für politische Bildung)

Am zweiten Festivaltag stehen fünf Panels zur Macht der Erinnerung, Macht der Emotionen und Macht der Sprache auf dem Programm. Die ersten drei heben die Macht der Erinnerung hervor. Im Erinnern berührt die Literatur den Kern der menschlichen Existenz und Kultur. Ohne Erinnerung keine Geschichte und ohne Geschichte keine menschliche Kultur. Aber wie viel Erinnerung und welche Art von Erinnerung nützen dem Leben und wann ist es zu viel oder schädlich? Wie wird aus individueller Erinnerung eine literarische Erzählung? Was sind Mittel literarischer Konstruktion? Wie sind Unzuverlässigkeit des Erinnerns und Souveränität des Erzählens in Einklang zu bringen? Welche Rolle spielt das schreibende und lesende Subjekt? Wie kann eine neue, deutsche und plurale Erinnerungskultur auch bildungspolitisch zur Geltung kommen? Und inwieweit schreibt Erinnerungsliteratur an der Zukunft mit?

11:30 Uhr – 12:45 Uhr

„… Bilder, die wir nie sahen, ehe wir uns ihrer erinnerten.“ Walter Benjamin

1. Panel: Die Macht der Erinnerung I

Lesungen und Gespräch

Fatma Aydemir

Hengameh Yaghoobifarah

Moderation: Hadija Haruna-Oelker und Lisa Deniz Preugschat

Zur Jahrtausendwende war eine urbane Elite noch überzeugt, dass nationalistische Ressentiments der Vergangenheit angehören. Diese Hoffnung hat sich längst gründlich zerschlagen. Ideen von Nation, Heimat, Identität und Eigentum haben bei vielen Bürger:innen wieder Hochkonjunktur. Wie Literatur im Zeichen einer pluralen Erinnerungskultur dazu beitragen kann, geistige Altlasten zu überwinden, führen Fatma Aydemir und Hengameh Yaghoobifarah vor Augen. In ihren Romanen setzen sie die Erfahrungen einer neuen Generation in lebendig-emanzipatorische Familienerzählungen um.

13:00 Uhr – 14:15 Uhr

„… was, wenn das erste Wort schon nicht durchkommt“  Ewe Benbenek

2. Panel: Die Macht der Erinnerung II

Szenische Lesungen aus dem Theatertext „Tragödienbastard“ von Ewe Benbenek

Einrichtung: Ute Bansemir und Lisa Deniz Preugschat

Moderation: Antigone Akgün

Der hochmusikalische, polyphone Theatertext von Ewe Benbenek kreist um Familienerinnerungen und den wütenden Gedankenstrom einer um ihre Sprache und ihren Platz in der Welt ringenden Protagonistin. Über allem schwebt stets die Frage, wie man über jene Erfahrungen und Verletzungen in der eigenen Biografie sprechen kann, die sich einfachen Erklärungen entziehen. Was lässt sich als postmigrantisches Wissen bezeichnen? Und wie ist es möglich, dieses mit Menschen zu teilen, die nicht darüber verfügen? Im anschließenden Gespräch mit Antigone Akgün geht es um die vielschichtigen Aspekte eines Textes, der nicht zuletzt auch auf individueller wie gesellschaftlicher Ebene die Kommunikation an sich reflektiert.

Pause

14:30 Uhr

„Ich fühlte mich noch nie so weit von meinen Büchern entfernt.“ Tanja Maljartschuk

3. Panel: Die Macht der Erinnerung III

Lesungen und Gespräche

Dmitrij Kapitelman

Tanja Maljartschuk

Artur Becker

Moderation: Miryam Schellbach und Alexandru Bulucz 

Wie verwandeln Autor:innen Erinnerung in Literatur? Sie suchen eine Sprache, die sowohl die Ästhetisierung als auch den Automatismus vermeidet, die das Vergangene nicht als vergangen behandelt und beruhigend als überwunden vermittelt, sondern den Spuren und Narben nachgeht und die noch offenen Wunden bloßlegt.

Im Roman „Eine Formalie in Kiew“ lässt Dmitrij Kapitelman einen Ich-Erzähler erstaunlich unbeschwert vom traurigen Schicksal seiner seelisch verkümmernden Eltern berichten. Einst aus der Ukraine emigriert, um der „postsowjetischen Staatssäure“ zu entkommen, haben sie in Deutschland nie wirklich Fuß fassen können.

Tanja Maljartschuks Roman „Blauwal der Erinnerung“ (übersetzt von Maria Weissenböck) ist die Geschichte des vergessenen ukrainischen Volkshelden Wjatscheslaw Lypynskyj, dessen Leben auf kunstvolle Weise mit dem der Ich-Erzählerin verknüpft wird. Für die in Wien lebende Ukrainerin bedeutet der Krieg in ihrer Heimat – wie für viele ihrer schreibenden Kolleg:innen auch – eine extreme Zäsur. „Ich bin keine Schriftstellerin mehr“, sagt sie. „Die Wörter erstarren in mir.“

Artur Becker konfrontiert den Protagonisten seines Romans „Drang nach Osten“ mit dem grausamen Schicksal, das seine Großeltern unter Stalin erleiden mussten. Bei den Recherchen treiben ihn stets die gleichen Fragen um: Wie konnten all die Verbrechen geschehen? Woher kommt das Böse? Was ist Freiheit  – und was ihr Preis?

Pause

16:00 Uhr

„Wir können unsere Scham nicht loswerden, ohne dabei auch unsere Menschlichkeit zu verlieren.“ Lea Schneider

4. Panel: Die Macht der Emotionen

Lesungen und Gespräch

Lea Schneider

Yade Yasemin Önder

Moderation: Miryam Schellbach und Leon Joskowitz

Gefühlen und Emotionen wohnt politische Sprengkraft inne. Sie sind radikal, körperlich, in der Welt verankert, zugleich aber auch immer kulturell codiert. Ihre Ursachen und Wirkungen zu analysieren hilft, bestehende gesellschaftliche Strukturen zu hinterfragen und zu verändern – im konstruktiven wie im destruktiven Sinne. Wie zeigen sich Gefühle und Emotionen in der Literatur, welche Macht oder Ohnmacht ist für die Protagonist:innen damit verknüpft und welche Rolle spielen sie für den Plot? Dass Emotionen nicht nur textimmanent das Geschehen prägen, sondern auch die Schreibenden selbst, ist Fokus des vierten Panels.

In ihrem Essay „Scham“ erforscht Lea Schneider Sprech- und Sprachfähigkeiten. Hierbei entdeckt sie die Scham als Machtinstrument, das domestiziert und unterdrückt, aber auch das Potenzial besitzt, Werkzeug oder Waffe zu sein. Die Kompliz:innen der Scham erkundet sie ebenfalls: Gender, Sexualität, vor allem aber die Konvention, sich anderen gegenüber niemals bedürftig zu zeigen.

Yade Yasemin Önder hat mit Teilen ihres Romans „Wir wissen, wir könnten, und fallen synchron“ 2018 den für den literarischen Nachwuchs wichtigen Open-Mike-Wettbewerb gewonnen. Damals hieß ihre Geschichte „Bulimieminiaturen“ und auf dem Weg zum Roman ist das Miniaturenhafte nicht verloren gegangen.

17:30 – 19:15 Uhr

„Mein Zuhause ist die Poesie.“ Volha Hapeyeva

5. Panel:  Die Macht der Sprache

Lesungen und Gespräch

Alexandru Bulucz

Tomer Gardi

Volha Hapeyeva

Moderation: Miryam Schellbach und Leon Joskowitz

Die Sprache der Literatur ist frei, sie muss weder effizient sein noch gehorchen. Sie kann ausufern, schlingern, experimentieren und auf Verständlichkeit pfeifen. Wirklich gute Erzählungen bringen auch vermeintliche Gegensätze zusammen. Sie unterhalten und stimmen nachdenklich, sind packend und stürzen in Zweifel. Das ästhetische Vermögen des literarischen Schreibens ist sogar in der Lage, universelle Momente des menschlichen Lebens freizulegen. Welche Macht von der Sprache ausgeht, warum ein Leben ohne die Arbeit mit, an und in der Sprache für Schriftsteller:innen undenkbar ist, warum man schreiben muss, wie Rilke es einst ausdrückte, erörtern Tomer Gardi, Alexandru Bulucz und Volha Hapeyeva im Gespräch mit Miryam Schellbach und Leon Joskowitz.

Tomer Gardi spielt in seinem Roman „Eine runde Sache“ virtuos mit Sprachen. Mit all seiner Originalität und dem Überbordwerfen konventioneller Romankonzeptionen löst er auch die Krux mit der Wahl der Sprache, die sein literarisches Ich martert. „Ein Schriftsteller ist jemand, der Schwierigkeiten hat mit die deutsche Sprache“, schreibt er und fragt, wie es überhaupt gelingen kann, seine eigene Sprache zu finden.

Für seinen Text „Einige Landesgrenzen weiter östlich, von hier aus gesehen“ wurde Alexandru Bulucz mit dem Deutschlandfunk-Preis ausgezeichnet. In seinem Text leuchtet er die Begriffe Heimat und Herkunft lyrisch aus und beeindruckt mit der Gleichzeitigkeit von Fragilität und Souveränität, von Weltwissen, politischem Denken und philosophischer Erfahrung.

Für ihre „widerständige Poesie“ wurde die belarussische Schriftstellerin und Dichterin Volha Hapeyeva in diesem Jahr mit dem Wortmeldungen-Literaturpreis ausgezeichnet. Aus dem Exil heraus verteidige sie ein Terrain, das von keinem Diktator eingenommen werden kann, würdigte der Laudator ihr „ungemein starkes literarisches Dokument“.

19:20

Schlussrunde mit den Autor:innen und Moderator:innen 

Ende gegen 21:00 Uhr

 


Büchertisch der Autorenbuchhandlung Marx & Co.



Veranstalter ist die Faust Kultur Stiftung in Kooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung und der theaterperipherie.

Gefördert vom Kulturfonds Frankfurt RheinMain und dem Kulturamt der Stadt Frankfurt am Main.



In Kooperation mit der theaterperipherie und TITANIA THEATER.